"Interpunktion"



Von Paul  Watzlawick haben wir gelernt, dass gravierende Missverständnisse in der Kommunikation häufig mit der "Interpunktion" eines Prozesses zu tun haben, wie ihn die einzelnen Mitwirkenden einer Interaktion verstehen.

Berühmt ist sein Beispiel  englischer Mädchen, die sich mit amerikanischen boyfriends trafen, aber eine andere "Reihenfolge" der kulturellen Annäherungsgepflogenheiten erwarteten. Der "Beginn der Zärtlichkeiten und Einstieg in eine ernsthafte Beziehung" wurde jeweils an anderer Stelle gedeutet. Was der eine für ein Vorspiel ohne Verbindlichkeit hielt, war für den anderen bereits Einstieg zum Endspiel.  

 So hielten sich die beiden Gruppen wechselseitig für "draufgängerisch" bzw. unterstellten dem jeweils anderen Geschlecht "lose Sitten".

Ein aktuelles Beispiel lieferte die Sendung von Günther Jauch über den Steuerskandal um Hoeness am 28.04.2013.

Teilnehmer Thomas Gottschalk interpunktierte ganz offensichtlicht den "Prozess der Rechtsbrechung" anders als Teilnehmer Prantl:

Während Gottschalk den "Beginn" der Rechtsbrechung erst im Ankauf von CDs erblickte, die nur unter Bedingungen des "Geheimnisverrats und Loyalitätsbruchs" für erpresserisch hohe Preise erworben werden können und folglich einen, Zitat: "verbrecherischen Akt" darstellen, sah Prantl den Beginn der Rechtsbrechung bereits darin, ein Konto in einem "Steuerparadies" anzulegen. Folglich rechtfertigte er den Ankauf als "Korrektur eines vorausgegangenen Unrechts" und nicht als Unrecht selbst.

Diese unterschiedlichen Deutungen entstehen durch unterschiedliche Interpunktionen, wobei hier angenommen werden darf, dass beide sich durchaus mit ihrer jeweiligen Sicht der Dinge gleichermaßen im Recht fühlen und diese Sicht mit großen Gruppen teilen.                       

Die Wahrnehmung selbst entspringt unterschiedlichen "Wahrnehmungskulturen".

Solch eine "selektive" Wahrnehmung beruht auf Gruppenkulturen und ist subjektiv aufrichtig und ehrlich.

Missverständnisse sind vorprogrammiert.